Die Hormone tanzen Tango
Etwa ab dem 40. Lebensjahr sinkt die Konzentration der Geschlechtshormone im Körper. Die Wechseljahre beginnen – sowohl bei Frauen als auch bei Männern.
Hitzewallungen und Stimmungsschwankungen – das sind die wohl bekanntesten Symptome der Wechseljahre bei Frauen. In dieser Zeit passiert jedoch so viel mehr, und zwar nicht nur im Körper, sondern auch auf mentaler Ebene. Zudem können sich die Veränderungen auch sozial auswirken, beispielsweise in der Partnerschaft oder auf der Arbeit. Auslöser ist der sinkende Hormonspiegel der Geschlechtshormone Östrogen und Progesteron im weiblichen Körper und Testosteron im männlichen Körper. Obwohl beide Geschlechter eine Hormonumstellung durchmachen, erleben sie die Wechseljahre sehr unterschiedlich. Die gute Nachricht ist: Die Wechseljahre können mit Beschwerden einhergehen, müssen es aber nicht. Nur wenige Frauen und Männer leiden über längere Zeit unter starken Beschwerden. Sobald sich der Körper an die hormonellen Veränderungen angepasst hat, verschwinden sie wieder.
Definitionen der Fachbegriffe
- Klimakterium Wechseljahre der Frau, also die Zeitspanne zwischen der uneingeschränkten Fortpflanzungsfähigkeit und der Menopause.
- Menopause Die allerletzte Regelblutung im Leben einer Frau.
- Klimakterium virile Wechseljahre des Mannes. Häufig werden sie auch als „Andropause“, „Andropenie“ oder „PADAM“ (Partielles Androgendefizit beim älter werdenden Mann) bezeichnet.
Verlauf der Wechseljahre
Wechseljahre der Frau
Die Wechseljahre lassen sich in drei Phasen einteilen: In den fruchtbaren Jahren einer Frau produzieren die Eierstöcke die Geschlechtshormone Östrogen und Progesteron. Diese stellen den Körper auf eine mögliche Schwangerschaft ein. Sobald mit der Prämenopause die Wechseljahre beginnen, produzieren die Eierstöcke immer weniger Hormone. In der Perimenopause kann der Östrogenspiegel stark schwanken, bis die Eierstöcke die Östrogenproduktion vollkommen einstellen.
51
Jahre alt sind Frauen im Durchschnitt, wenn die Menopause eintritt.
⅔
aller Frauen leiden in den Wechseljahren unter Hitzewallungen und Schweißausbrüchen.
2 %
der 40- bis 80-jährigen Männer leiden gemäß den Kriterien der European Male Ageing Study (EMAS) unter einem Testosteronmangel und damit einhergehenden Symptomen
Perimenopause
- "Peri" bedeutet "um etwas herum".
Ein bis zwei Jahre vor und bis zu ein Jahr nach der letzten Periode.
Regelblutung wird seltener und schwächer, mögliche Schmier-/Zwischenblutungen, Hitzewallungen und Schweißausbrüche, Nachtschweiß, Schlafstörungen, Schwindel, trockene Haut und Schleimhäute, Libidoverlust.
Postmenopause
- "Post" bedeutet "nach".
Beginn zwölf Monate nach der letzten Periode.
Vaginale Trockenheit, erhöhtes Risiko für Harnwegsinfekte, Gelenk- und Rückenschmerzen, verminderte Leistungsfähigkeit, Haarausfall, Haarwachstum im Gesicht („Damenbart“), steigendes Risiko für Osteoporose, Diabetes mellitus sowie Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
Der Anteil des Geschlechtshormons Testosteron im Blut sinkt pro Jahr um ein bis zwei Prozent. Durch diesen langsamen, aber stetigen Prozess leiden Männer wesentlich seltener unter Beschwerden als Frauen. Sollte der Testosteronspiegel ungewöhnlich stark sinken und zu niedrigen Testosteronwerten bis hin zu einem Testosteronmangel führen, sind die Symptome meist unspezifisch.
Dazu gehören: sexuelle Funktionsstörungen, Hitzewallungen und Schweißausbrüche, Muskelschwäche, Osteoporose, Müdigkeit, kognitive Probleme, Gewichtszunahme und die Entwicklung einer Männerbrust. Viele dieser Beschwerden können jedoch auch im Zusammenhang mit dem normalen Alterungsprozess oder Erkrankungen wie Adipositas oder Diabetes mellitus stehen.
Die Symptome der Wechseljahre sind bei Frauen eindeutig, sodass eine spezielle Diagnostik in der Regel nicht notwendig ist. Mithilfe einer Hormonbestimmung im Blut lassen sich zwar die für die Wechseljahre typischen Veränderungen feststellen, jedoch haben diese Ergebnisse wenig Aussagekraft. Sie liefern beispielsweise keinen Hinweis darauf, ob und wie lange eine Frau noch fruchtbar ist.
Ein Testosteronmangel beim Mann wird laut European Male Ageing Study (EMAS) durch folgende diagnostische Kriterien definiert: das gleichzeitige Auftreten von drei sexuellen Funktionsstörungen (Erektionsstörung, seltener sexuelle Gedanken, abgeschwächte morgendliche Erektion) sowie über mindestens zwei Messungen verringerte Testosteronwerte im Blut.
Die Psyche während der Wechseljahre
Wechseljahre und die Psyche der Frau
Die Hormone Östrogen und Progesteron spielen nicht nur für die Fruchtbarkeit einer Frau eine wesentliche Rolle. Östrogen ist beispielsweise am Stoffwechsel des „Glückshormons“ Serotonin beteiligt, das positiv auf die Stimmung wirkt und Stress reduziert. Progesteron wirkt beruhigend, entspannend und schlaffördernd. Fällt in den Wechseljahren der Östrogen- und Progesteronspiegel im Blut, verliert die Frau einen wichtigen Pfeiler für ihre mentale Stabilität.
Besonders in der Zeit um die Menopause herum kann es bei manchen Frauen zu Stimmungsschwankungen und Reizbarkeit, Nervosität und Schlafstörungen sowie depressiven Verstimmungen kommen. Auch Depressionen können vermehrt auftreten. Diese sind mithilfe einer Psychotherapie oder moderner Antidepressiva gut behandelbar.
Großen Einfluss auf das psychische Wohlbefinden haben auch die individuellen Lebensumstände. Die Kinder werden erwachsen und verlassen das elterliche Haus, die eigenen Eltern benötigen möglicherweise Pflege, die Partnerschaft verändert sich. Auf manche Frauen wirken die persönlichen Umstände belastend, andere wiederum können neue Energie daraus schöpfen: Sie genießen größere Freiheit, wagen in dieser Umbruchsphase Veränderungen in Beruf und Partnerschaft und sind unbeschwerter, weil die Regelblutung ausbleibt und Empfängnisverhütung kein Thema mehr ist.
Wechseljahre und die Psyche des Mannes
Auch Männer können während der Wechseljahre unter psychischen Beschwerden leiden. Schlafstörungen, Reizbarkeit und Depressionen sind eine mögliche Folge des sinkenden Testosteronspiegels. Insbesondere sexuelle Funktionsstörungen wie Erektionsprobleme wirken negativ auf die Psyche und sorgen mitunter für einen erheblichen Leidensdruck.
Die sogenannte Midlife-Crisis wird vor allem mit dem männlichen Geschlecht in Verbindung gebracht. Sie kann Gefühle wie Resignation, Frustration oder auch Verzweiflung auslösen, wenn Männer unter dem Altern leiden, ins Grübeln über das Leben geraten oder mit Fehlschlägen hadern. Eine Psychotherapie kann hilfreich sein, um diese Gefühle zu ordnen.
Gesundes Leben, leichte Wechseljahre?!
Die Antwort lautet: jein. Prinzipiell gilt: Wer sich gesund und ausgewogen ernährt, Bewegung und Sport in den Alltag integriert, nicht raucht, auf Alkohol möglichst verzichtet und Stress vermeidet, tut eine ganze Menge für die Gesundheit und das persönliche Wohlbefinden. Damit sinkt auch das Risiko, beispielsweise an Osteoporose zu erkranken. Allerdings gibt es keine eindeutigen wissenschaftlichen Belege, dass sich ein gesunder Lebensstil positiv auf die Wechseljahrsbeschwerden von Frauen auswirkt. Bei Männern hingegen beeinflusst ein gesunder Lebensstil nachweislich den Testosteronspiegel positiv.
Was tun bei starken Beschwerden?
Therapiemöglichkeiten für Frauen
Eine zeitlich begrenzte Hormonersatztherapie kann die Beschwerden lindern. Es ist allerdings nicht vorhersehbar, ob sich die Beschwerden dadurch dauerhaft bessern oder ob sie nach dem Absetzen der Therapie wieder auftreten.
Grundsätzlich sind zwei unterschiedliche Therapieformen zu unterscheiden: Bei einer systemischen Hormontherapie wirken die Hormone im gesamten Organismus. Sie werden in Form einer Tablette, als Injektion oder mithilfe eines Pflasters oder Gels über die Haut aufgenommen. Außerdem gibt es die lokale Hormontherapie in Form von Cremes, Zäpfchen oder Ringen, die bei Beschwerden im Genitalbereich wie Trockenheit oder wiederkehrenden Harnwegsinfekten Besserung verspricht. Bei dieser Therapieform wirken die Hormone hauptsächlich in der Vagina und im Bereich der Vulva.
Eine Hormonersatztherapie sollte mit der behandelnden Ärztin oder dem behandelnden Arzt sorgfältig abgewogen werden, weil sie einige Vorteile, aber auch Nebenwirkungen mit sich bringen kann. Eine jahrelange systemische Hormonbehandlung erhöht beispielsweise das Risiko für Thrombose, Embolie, Schlaganfall, Brustkrebs und Eierstockkrebs.
Außer der Hormonersatztherapie gibt es frei verkäufliche pflanzliche Mittel, die eine Linderung der Beschwerden bewirken können. Es gilt allerdings zu beachten, dass auch pflanzliche Wirkstoffe Neben- und Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten verursachen können. Sogenannte Phytoöstrogene kommen zum Beispiel in Sojabohnen, Sesam- und Leinsamen, Hülsenfrüchten, Getreide und Rotklee vor. Sie sollen in den Wechseljahren gegen Hitzewallungen wirken. Es ist jedoch noch nicht ausreichend erforscht, welche positiven und negativen Wirkungen Phytoöstrogene im Allgemeinen auf den menschlichen Körper haben. Der Wurzelstock der Traubensilberkerze beinhaltet Wirkstoffe, die den Hormonhaushalt positiv beeinflussen und so Wechseljahrsbeschwerden lindern können. Baldrian, Hopfen und Melisse sind bewährte Mittel gegen Schlafstörungen. Auch pflanzliche Heilmittel sollten mit der Ärztin oder dem Arzt abgesprochen werden.
Therapiemöglichkeiten für Männer
Leidet ein Mann unter einem Testosteronmangel, sollte im ersten Schritt die Ursache ermittelt werden. Dabei kann es sich beispielsweise um Übergewicht, Diabetes mellitus oder die Einnahme von Medikamenten handeln. Lässt sich die Ursache nicht beheben, sollte gründlich abgewogen werden, ob eine Testosteronbehandlung sinnvoll ist oder nicht. Bei bestehendem Kinderwunsch sollte keine Therapie durchgeführt werden, weil zugeführtes Testosteron die Spermienbildung unterdrückt.
Die Therapie erfolgt systemisch in Form von Depotspritzen oder einem Gel, das auf Schulter, Oberarm oder Bauch aufgetragen wird. Die behandelnde Ärztin oder der behandelnde Arzt führt regelmäßig begleitende Untersuchungen durch, um mögliche Nebenwirkungen frühzeitig zu erkennen. Dazu gehören unter anderem Akne, Thromboembolie oder eine Prostatavergrößerung.
Pflanzliche Mittel, die wissenschaftlichen Erkenntnissen nach die Testosteronbildung anregen, sind bislang nicht bekannt. Es gibt jedoch einen völlig natürlichen Testosteronbooster ohne Nebenwirkungen: Kraft- und moderates Ausdauertraining.
Wir bieten Ihnen Hilfe
KOMPASS ist ein psychologisches Unterstützungsprogramm unseres Gesundheitspartners IVPNetworks bei psychischen Erkrankungen. Ein erfahrenes Team aus Fachärztinnen, Psychologen und Psychotherapeutinnen bietet Ihnen individuelle Orientierung und Hilfe auf Ihrem Weg zu körperlichem und mentalem Gleichgewicht.
Mehr Informationen unter: www.vividabkk.de/kompass
Zusätzlich können Apps bei psychischer Belastung helfen. Es gibt sogenannte Digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA), beispielsweise zur Unterstützung bei Depressionen. Für die Nutzung einer DiGA ist eine ärztliche Verschreibung nötig. Die digitalen Helfer lassen sich flexibel in den Alltag integrieren. Mehr Informationen unter: www.vividabkk.de/diga