Zwischen Blaulicht und Hitzeschutz
Vom Planschen im Schwimmbad bis zum Festivalbesuch: Der Sommer macht Spaß, die Hitze bringt aber Herausforderungen mit sich. Das gilt auch für Menschen, die im Rettungsdienst arbeiten und sich um hitzebedingte Notfälle kümmern müssen.

Strahlender Sonnenschein. Und Blaulicht. Der Rettungswagen von Maximilian Class schlängelt sich durch den typischen Dienstagnachmittagsverkehr. Der dritte Einsatz an diesem Tag für den Notfallsanitäter und Praxisanleiter bei den Johannitern in Villingen-Schwenningen, Baden-Württemberg. Bei knapp 30 Grad Celsius Außentemperatur im Juli fordert jeder Einsatz in seiner mehrschichtigen Dienstkleidung viel Kraft und Schweiß.
Das Team kommt schließlich am Ort des Geschehens an: Eine Frau in ihren Achtzigern ist laut Augenzeugen am Rande des Gehwegs im Kurpark in der Nachbarstadt Bad Dürrheim bewusstlos geworden. Ihr Rollator steht vor ihr, mitten in der Sonne. Die Johanniter transportieren die Frau in den Rettungswagen – „auch aus Pietätsgründen, aber in erster Linie, um sie aus der Sonne zu bekommen“, wie Class erzählt.
Schnell finden die Notfallsanitäter den Grund für den Zustand der Frau mit Hilfe des sogenannten xABCDE-Schemas (siehe Infokasten). Fehlende Flüssigkeit bei zu viel Bewegung in der heißen Mittagssonne, ein klassischer Sonnenstich. Class legt ihr einen Venenzugang mit einem halben Liter Elektrolytlösung. Dank der Flüssigkeit sowie zwei Stunden Ruhe und Abkühlung im städtischen Krankenhaus ist die Frau wieder auf den Beinen und kann nach Hause gehen.
Was ist das xABCDE-Schema?
Ein strukturiertes Vorgehen zur Erstversorgung von Notfallpatienten – nicht nur bei hitzebedingten Notfällen –, das insbesondere in der Notfallmedizin, bei Ersthelfenden und im Rettungsdienst verwendet wird. Es dient dazu, kritische Zustände systematisch zu erfassen und lebensbedrohliche Probleme in der richtigen Reihenfolge zu behandeln. Das sind die wichtigsten Punkte, die auch Laien im Notfall umsetzen können:
x = Exsanguine Bleeding (Ausblutung)
Starke Blutungen durch direkte Kompression stillen
A = Airway (Atemweg)
Als Laienhelfer: stabile Seitenlage
B = Breathing (Belüftung)
Atmung prüfen und gegebenenfalls Mund-zu-Mund-Beatmung starten
C = Circulation (Kreislauf)
Bei Pulslosigkeit Reanimation (Herzdruckmassage) beginnen
D = Disability (neurologische Einschränkungen)
Ansprechbarkeit testen
E = Exposure (Ganzkörperuntersuchung)
Beispielsweise Patient vor Unterkühlung schützen
Wichtig: Bei jedem Verdacht auf einen Notfall zuerst den Notruf (112) wählen.
Tipp: Das Deutsche Rote Kreuz (DRK), die Johanniter, die Malteser oder der Arbeiter-Samariter-Bund (ASB) bieten Erste-Hilfe-Kurse an, in denen diese Maßnahmen erlernt und geübt werden. Eine regelmäßige Auffrischung ist empfehlenswert! Die vivida bkk bietet beispielsweise Kurse zur Ersten Hilfe am Kind an. Mehr Informationen: www.vividabkk.de/erste-hilfe-kind
Schutz vor der Sommerhitze
„Das ist einer der typischen Einsätze, die wir im Sommer haben“, erklärt Class. Er ist 37 Jahre alt und hat in 14 Jahren beim Rettungsdienst bereits viele Erfahrungen mit hitzebedingten Notfällen gemacht. „Wir merken auf jeden Fall, dass hitzebedingte Einsätze zunehmen“, sagt der Vater einer fünfjährigen Tochter. „Das betrifft vor allem Kinder und ältere Menschen.“
Der Klimawandel sorgt dafür, dass das Wetter extremer wird: heißer, aber auch nasser. Starkregen- und Hitzetage nehmen zu. Während man sich gegen die Unwetter vor allem mit baulichen Maßnahmen schützen kann – und natürlich indem man zu Hause bleibt, wenn ein Gewitter durchzieht –, helfen gegen die Hitze schon ein paar Verhaltensänderungen.
„Wer die pralle Mittagssonne meidet und genug trinkt, macht schon mal vieles richtig. Ein großes Thema sind auch Kopfbedeckungen, gerade bei jungen Menschen. Viele sind – lobenswerterweise – im Sommer draußen sehr aktiv, haben dabei aber keine Kopfbedeckung auf“, erklärt Class auf der Rückfahrt vom Einsatz. „Wer dann noch zu wenig trinkt, riskiert schnell einen Sonnenstich.“ Er empfiehlt vor allem atmungsaktive Kappen mit breiter Krempe, die auch die Nase und den Nacken schützen. Das sorgt für kühlere Temperaturen auf der Kopfhaut und schützt zudem vor der UV-Strahlung, die Langzeitfolgen wie ein höheres Hautkrebsrisiko mit sich bringen kann.
Und dann ist da auch noch der Kreislauf, der von den Temperaturen gefordert wird: Wer bei hohen Temperaturen die Klimaanlage im Auto für längere Zeit voll aufdreht, riskiert einen Kreislaufkollaps beim Aussteigen. „Die Temperaturdifferenz zwischen dem Innenbereich des Autos und draußen sollte nicht mehr als sechs Grad Celsius betragen“, betont Class. Höhere Unterschiede resultieren in dem Gefühl, beim Aussteigen „gegen eine Wand zu laufen“. Das ist unangenehm und kann sogar ein Gesundheitsrisiko darstellen. Dass die Notfallsanitäter diesen Tipp selbst beherzigen, zeigt sich nach der Rückfahrt – der Ausstieg aus dem Rettungswagen fällt leicht, im Büro von Maximilian Class ist es ebenfalls nur etwas kühler als vor der Tür.
Wer im Hochsommer zu Hause auch ohne Klimaanlage für ein angenehmeres Raumklima sorgen möchte, sollte früh morgens alle Fenster öffnen und die Wohnung so gut wie möglich durchlüften lassen. Sobald die Sonne zu stark wird: Fenster und Vorhänge zu, Rollläden runter. Jede Schicht zwischen Fenster und Innenraum dient zur Isolation und hält damit den Raum länger kühl. Falls das nicht reicht, rät Class zum Ventilator. Mit einem angefeuchteten Tuch davor sorgt er für Verdunstungskühle, die zumindest das Hitzegefühl ein wenig hemmen kann.
Gesund durch den Event-Sommer
Doch der Sommer ist ja eigentlich die Zeit, in der es viele nach draußen zieht: „Wir alle genießen es, im Sommer unterwegs zu sein. Beispielsweise bei Konzerten, Dorffesten oder Festivals“, erzählt Class. Bei Veranstaltungen wie diesen ist er regelmäßig beruflich unterwegs, koordiniert Dienstpläne, wirkt in der Einsatzleitung mit oder ist selbst als Helfer unter den Menschen – beispielsweise auch beim Southside Festival im baden-württembergischen Neuhausen ob Eck.
Dabei sind ihm trotz der Herausforderungen, die die Hitze mit sich bringt, warme, trockene Tage lieber als Regen und Matsch. „Im vergangenen Jahr mussten die Helfer beim Southside Festival Patienten teilweise mehrere hundert Meter auf der Patiententrage zum nächsten Sanitätszelt tragen, weil wir anders einfach nicht durch den Schlamm gekommen sind“, erinnert er sich. Bei schlechtem Wetter, wie im Sommer 2024, kommen Verletzungen wie Prellungen, Bänderrisse und Knochenbrüche sehr viel häufiger vor.
Sonnentage sind trotzdem nicht zu unterschätzen: Hitze spielt vor allem eine Rolle für alle, die tagsüber lange draußen sind. Bei Festivals, Dorffesten oder Konzerten kommt häufig ein weiterer Faktor hinzu, der den Einfluss der Sonne auf den Wasserhaushalt verstärkt: Alkohol. „Auch wenn einige auf den vermeintlich erfrischenden Effekt schwören, entzieht der Alkohol dem Körper sowohl Nährstoffe als auch Flüssigkeit“, sagt Class. Wer also nur mit Bier den Durst löschen will und gleichzeitig den ganzen Tag vor der Bühne tanzt, kann schnell austrocknen und einen Sonnenstich oder Hitzschlag erleiden.


Vor allem abends stolpern dann auf dem Festival einige Betrunkene Richtung Sanitätszelt, weil sie dehydriert sind oder durch die Auswirkungen des Mischkonsums mit anderen Substanzen, meint Class. Wer seine Zeit sinnvoller nutzen möchte, darf sich auch hier Tipps vom Profi merken: „Wasser, Schatten, Hut. Zum Glück gibt es auf immer mehr Festivals kostenlose Trinkwasserspender – damit kann man seine Flasche immer wieder auffüllen.“ Seit es auf dem Southside Festival kostenfreie Trinkwasserspender gibt, sind die Vorfälle aufgrund von Dehydrierung merklich zurückgegangen.
„Schatten zum Abkühlen zu finden, ist oft schwierig. Hier sehe ich die Veranstalter in der Verantwortung. Und wer aus optischen Gründen keine Mützen mag, kann sich mit der Gruppe einen Spaß daraus machen und beispielsweise gegenseitig Strohhüte dekorieren“, meint Class.
Ehrenamtlich im Einsatz
Während die Menschen in Sommerklamotten feiern, gehören die Einsatzkräfte in ihren orangeroten Uniformen zum Bild von vielen Veranstaltungen. „Unsere Sicherheitskleidung ist wichtig, um uns zu schützen. Aber da kommen wir auch ohne Einsätze ins Schwitzen“, sagt Class schmunzelnd, „egal ob wir ehren- oder hauptamtlich unterwegs sind!“ Wer sich bei einer Veranstaltung überanstrengt oder zu lange in der Sonne ist, sollte schnellstmöglich eine der Unfallhilfestellen aufsuchen – diese sind ausgeschildert und bei Festivals beispielsweise über das gesamte Gelände verteilt.
Die freiwillig Helfenden dort bringen die Besucher wieder auf die Beine, sodass sie – wenn möglich – zurück auf das Gelände können. Class macht die Dienste auf dem Southside Festival wie die meisten anderen ehrenamtlich. Dafür planen sie sich die Schichten so ein, dass im Bestfall jeder bei seinem Lieblingskünstler vor die Bühne kann. „Ohne die tausenden Ehrenamtlichen bei den Johannitern, dem Roten Kreuz, dem Arbeiter-Samariter-Bund oder den Maltesern wären viele Veranstaltungen – auch im Winter – gar nicht denkbar“, sagt Class.


Doch wie viele andere Organisationen, die auf Ehrenamtlichkeit basieren, haben auch die Johanniter mit Nachwuchssorgen zu kämpfen. „Klar ist das auch mal anstrengend und nicht alle verhalten sich respektvoll. Aber es gibt genug schöne Momente, die das wettmachen. Wenn wir jemanden behandeln und die Person danach wieder an die Bühne zu ihrem Lieblingskünstler kann, anstatt nach Hause zu müssen, sind die Leute extrem dankbar. Da freuen wir uns drüber.“
Hitzeschutz im öffentlichen Raum
Zurück vom Festival in die Stadt: Viele Einsätze von Maximilian Class und seinen Kolleginnen und Kollegen im Sommer wären vermeidbar. Schon bei der Fahrt von Einsatz zu Einsatz zeigt die Stadt oft ihr schönstes Grau – dabei sorgen versiegelte Betonwüsten für noch höhere Temperaturen und bieten oft keinen Schutz vor der Sonne. Der öffentliche Raum spielt eine große Rolle beim Schutz der Einwohner: Trinkwasserspender sind nicht nur auf Großevents sinnvoll, sondern auch in Fußgängerzonen und hochfrequentierten Stadträumen.
„Leider ist Vandalismus dabei ein großes Problem, aber die Versorgung muss trotzdem aufrechterhalten werden“, so Class. Auch gesundes Stadtgrün hilft, denn Grünflächen können Regenwasser speichern und zeitverzögert wieder abgeben. Bei der Verdunstung wird die Luft abgekühlt. Bäume dienen darüber hinaus auch als Schattenspender. „Dafür muss man keine Atomphysik studiert haben. Wenn ich das entscheiden dürfte, dann würde ich die Städte so weit begrünen, wie es irgendwie möglich ist“, meint der Notfallsanitäter.
Mehr Schatten, mehr Verdunstung und öffentlich verfügbares Wasser: Um auf kommende Sommer vorbereitet zu sein, müssen sich Stadtbilder stark verändern. Das ist vor allem eine Aufgabe der Politik. Werden diese Maßnahmen umgesetzt, gibt es in Zukunft vielleicht auch weniger Menschen, die der Rettungsdienst wegen Dehydrierung abholen muss.

Wie viel Wasser sollte ich trinken?
Als Faustregel gilt: 30 bis 40 Milliliter Flüssigkeit pro Kilogramm Körpergewicht täglich reichen bei moderater körperlicher Aktivität aus. Dabei nimmt der Körper über die Nahrung etwa einen Liter Flüssigkeit auf – bei 80 Kilogramm Körpergewicht müssen also noch rund 1,8 Liter Wasser getrunken werden. Das fällt leichter, wenn regelmäßig kleine Mengen getrunken werden. Dabei helfen zum Beispiel die Trinkflasche am Arbeitsplatz oder ein großes Glas Wasser beim Essen.
Im Sommer am besten pures Wasser oder ungesüßten Tee trinken. Sehr kalte Getränke sorgen nur kurzfristig für Erfrischung. Am besten haben die Getränke Zimmertemperatur.
Wer viel Sport treibt oder generell schwitzt, verliert dadurch viel Flüssigkeit. Dies muss durch zusätzliche Flüssigkeitsaufnahme ausgeglichen werden. Übrigens schwitzen geübte Sportler stärker, weil ihre Körper besser ihre Temperatur regulieren können – eben durch den Schweiß.
Achtung: Bei bestimmten Erkrankungen kann die Menge, die Sie trinken dürfen, eingeschränkt sein – etwa bei bestimmten Herz- oder Nierenkrankheiten. Sprechen Sie am besten mit Ihrer Ärztin oder Ihrem Arzt.
Haut im Blick
Vorstufen von Hautkrebs lassen sich oft gut und früh erkennen und behandeln. Deswegen bieten wir unseren Kundinnen und Kunden bereits ab dem Alter von 15 Jahren alle zwei Jahre ein Hautkrebs-Screening an. Hautärzte und Hautärztinnen, die an unserem Programm teilnehmen, untersuchen mit einem Auflichtmikroskop Muttermale und auffällige Hautstellen. Weitere Informationen finden Sie hier.