Gewitter im Kopf
Ausgabe 03/25
Kopfschmerzen haben wir alle einmal. Migräne ist jedoch mehr als das: Sie ist eine neurologische Erkrankung, die bei Betroffenen starke wiederkehrende Kopfschmerzattacken auslöst und häufig von weiteren Symptomen wie Übelkeit, Schwindel, Licht- und Geräuschempfindlichkeit begleitet wird.
Zwischen vier und 72 Stunden, also drei volle Tage: So lange dauert in der Regel ein einziger Migräneanfall. Die starken Kopfschmerzen schränken Betroffene in ihrem Alltag enorm ein. Vor allem dann, wenn sie von weiteren Symptomen begleitet werden. Bei etwa einem Viertel der Migränepatientinnen und -patienten setzen bereits eine Stunde vor den Kopfschmerzen neurologische Symptome wie Seh-, Sprach- und Gefühlsstörungen ein. Diese werden als „Aura“ bezeichnet. Betroffene haben während eines Migräneanfalls ein ausgeprägtes Ruhebedürfnis, weil körperliche Anstrengung die Symptome oftmals verstärkt.
Die Ursachen von Migräne sind bislang nicht vollständig geklärt – und leider kann sie nach heutigem Stand der Medizin auch nicht geheilt werden. Es gibt aber wirksame Medikamente, die die Schmerzen lindern und Migräneanfällen vorbeugen können. Betroffene sollten zudem auf ihre individuellen Migräneauslöser achten und ihr Stresslevel niedrig halten.
Auslöser und Symptome von Migräne
Der Ursprung von Migräne liegt im Gehirn. Eine zentrale Rolle spielt die sogenannte neurovaskuläre Entzündung: Nervenfasern im Gehirn reizen die Blutgefäße, was eine entzündliche Reaktion und damit den typischen Migränekopfschmerz auslöst. Dieser ist von starker Intensität und wird als pulsierend, hämmernd oder pochend wahrgenommen. Die Schmerzen treten oft im vorderen Kopfbereich auf und sind halbseitig. Übelkeit, Erbrechen und Schwindel gehen häufig mit Migränekopfschmerzen einher.
Aura-Symptome entstehen durch eine sich wellenförmig ausbreitende Erregung der Nervenzellen in der Gehirnrinde. Diese Erregung beginnt meist im visuellen Kortex, also jenem Hirnareal, in dem das Sehen verortet ist. Von dort kann sich die Erregungswelle auf andere Hirnregionen ausdehnen, die beispielsweise für die Verarbeitung des Fühlens oder Sprechens zuständig sind. Das führt zu Sehstörungen wie Augenflimmern, Gefühlsstörungen, zum Beispiel Kribbeln in Armen und Beinen, Sprachstörungen und Wahrnehmungsveränderungen.
Trotz jahrzehntelanger Forschung ist die genaue Ursache der Migräne bislang nicht vollständig geklärt. Es gibt jedoch immer mehr Hinweise darauf, dass das Gehirn von Migränepatienten übererregbar ist. Das bedeutet: Die Nervenzellen dieser Menschen reagieren besonders stark auf äußere Reize – nicht nur während eines Anfalls, sondern auch in schmerzfreien Phasen dazwischen. Das könnte erklären, warum scheinbar harmlose Einflüsse wie Licht, Lärm oder Gerüche Migräneattacken auslösen.
Spannungskopfschmerzen (1). Sie werden als drückend und dumpf empfunden und erstrecken sich über beide Kopfseiten. Die Intensität des Schmerzes ist leicht bis mittelstark. Weil sie sich bei körperlicher Aktivität nicht verschlimmern, schränken sie Betroffene nicht allzu sehr in ihrem Alltag ein. Alleinige Spannungskopfschmerzen dauern zwischen 30 Minuten und einigen Tagen an, verursachen dabei aber keine Begleitsymptome.

Cluster-Kopfschmerzen (2) treten in Episoden über Wochen hinweg fast täglich auf und betreffen stets eine Kopfseite, meist im Schläfen- und Augenbereich. Die sehr starken, stechenden Schmerzen dauern 15 Minuten bis drei Stunden an und gehen oft mit tränendem Auge, Schwitzen oder verstopfter Nase einher. Anders als bei der Migräne kann Bewegung etwas Linderung verschaffen.

Service
Wir unterstützen Sie
Gemeinsam mit der Schmerzklinik Kiel, dem Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (UKSH) und mit bundesweit niedergelassenen Schmerztherapeutinnen und -therapeuten bieten wir ein Behandlungskonzept für Migränepatientinnen und -patienten von der Diagnose über eine neurologische Behandlung bis hin zur Verlaufs- und Erfolgskontrolle. Mehr Informationen unter: www.vividabkk.de/schmerzklinik-kiel
Die Migräne-App der Schmerzklinik Kiel hilft Betroffenen, ihren Migräneverlauf, Symptome sowie die Medikamenteneinnahme zu dokumentieren. Sie schafft dadurch die Grundlage für eine erfolgreiche Therapie. Mehr Informationen unter: www.schmerzklinik.de/die-migraene-app
Unsere Online-Gesundheitskurse helfen Ihnen dabei, Stress abzubauen und in Ihrem Alltag gezielt zu entspannen – und das bequem von zu Hause aus. Mehr Informationen unter: www.vividabkk.de/online-gesundheitskurse
Wenn der Schmerz sich verändert
Migräne kann bereits in jungen Jahren auftreten. Außer Kopfschmerzen klagen betroffene Kinder oftmals über Begleitsymptome wie Bauchschmerzen. Jungen und Mädchen sind zunächst etwa gleich häufig betroffen. Mit der Pubertät ändert sich das: Dann tritt Migräne bei Frauen zwei- bis dreimal so häufig auf wie bei Männern. Am häufigsten macht sich die Erkrankung zwischen dem 25. und 45. bis 50. Lebensjahr bemerkbar. Viele erleben dabei eine episodische Form, bei der die Anfälle nur gelegentlich auftreten. Dennoch berichten die meisten Betroffenen von mindestens einer Attacke pro Monat.
Frauen spüren während der Wechseljahre häufig eine Verschlechterung, bevor sich die Migräne im höheren Lebensalter meistens bessert: Häufigkeit und Intensität der Anfälle nehmen spürbar ab.
Besteht der Verdacht auf Migräne, überweist der Hausarzt an einen Facharzt für Neurologie. Die Diagnose wird in erster Linie anhand eines ausführlichen Gesprächs (Anamnese)sowie durch eine klinisch-neurologische Untersuchung gestellt. Dabei erkundigt sich die Ärztin oder der Arzt nach Art, Häufigkeit und Intensität der Kopfschmerzattacken, möglichen Begleitsymptomen und der Medikamenteneinnahme.
Auslöser im Blick
Migräne ist teilweise genetisch bedingt, jedoch nicht ausschließlich erblich. Das bedeutet: Wenn Familienmitglieder unter Migräne leiden, erkranken deren Kinder nicht zwangsläufig daran. Es erhöht sich lediglich die Anfälligkeit, auf Risikofaktoren wie Stress, Schlafmangel oder hormonelle Schwankungen mit einem Anfall zu reagieren. Umgekehrt können Menschen ohne familiäre Vorbelastung Migräne entwickeln, wenn bestimmte Umwelt- und Lebensstilfaktoren zusammentreffen.
Dazu zählen unter anderem hormonelle Schwankungen wie Veränderungen des Östrogenspiegels, ein gestörter Schlaf-Wach-Rhythmus, Stress, bestimmte Lebensmittel, das Auslassen von Mahlzeiten oder unzureichen de Flüssigkeitszufuhr.
Die Schwere des Migräneverlaufs wird unter anderem durch den persönlichen Lebensstil beeinflusst – etwa durch den Umgang mit Stress, Bewegungsmangel oder ungesunde Gewohnheiten.
Migräneanfälle können durch sogenannte Trigger ausgelöst werden. Dazu gehören unter anderem Alkohol, Schlafmangel, Nahrungsmangel, Stress oder auch bestimmte Wetterlagen. Weil die Auslöser individuell verschieden sind, ist es wichtig, sie mit Hilfe eines Migränetagebuchs gezielt zu identifizieren und möglichst zu vermeiden.
Akuthilfe und Vorbeugung bei Migräne
Migräne ist bislang nicht heilbar, lässt sich mit einer individuell abgestimmten Therapie aber gut behandeln. Wichtig ist die Aufklärung über die neurologischen Ursachen und auslösenden Faktoren. Setzt ein Migräneanfall ein, hilft es, sich in einen dunklen und geräuscharmen Raum zurückzuziehen. Auch eine kühlende Kompresse kann Linderung verschaffen.
Zur medikamentösen Behandlung akuter Migräneanfälle kommen Wirkstoffe wie ASS, Ibuprofen oder Paracetamol zum Einsatz. Sollten Migränepatienten diese nicht vertragen oder drohen Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten, können sie auf das verschreibungspflichtige Schmerzmittel Novaminsulfon zurückgreifen. Alle Schmerzmittel sollten mit einer Substanz gegen Übelkeit und Erbrechen kombiniert werden.
Erzielen die genannten Wirkstoffe keine ausreichende Besserung, können Betroffene nach Rücksprache mit ihrem Arzt migränespezifische Triptane einnehmen. Für die bestmögliche Wirkung sollten alle Medikamente zu Beginn des Migräneanfalls eingenommen werden.
Während der Auraphase wirken Schmerzmittel oft noch nicht. Triptane sollten erst nach Ende der Aura genommen werden. Migränepatienten sollten nicht häufiger als an zehn Tagen im Monat Schmerzmittel einnehmen. Ansonsten könnten sich die Migräneanfälle verschlechtern und in einen chronischen Krankheitsverlauf übergehen.
Sprechen Patienten nicht auf Schmerzmittel an oder dauern die Migräneanfälle mehrere Tage, kann eine vorbeugende Behandlung (Prophylaxe) sinnvoll sein.
Einigen Betroffenen hilft bereits die Einnahme von Magnesium und Vitamin B2, um die Anzahl der Migräneattacken zu reduzieren. Bei der medikamen- tösen Prophylaxe werden Wirkstoffe eingesetzt, die auch zur Behandlung von Bluthochdruck, Epilepsie oder Depression zugelassen sind. Ob sich dadurch die Häufigkeit und Intensität der Migräneanfälle bessert, kann nach vier bis sechs Wochen abgeschätzt werden. Die Prophylaxe gilt als wirkungsvoll, wenn sich die Anzahl der Migräneanfälle in etwa halbiert. Ist dies nicht der Fall, können in der neurologischen Praxis gegebenenfalls Injektionen mit Botox oder Migräneantikörpern verordnet werden.
Weiterführende Informationen zur medikamentösen Behandlung und Prophylaxe erhalten Sie hier: www.schmerzklinik.de/service-fuer-patienten/migraene-wissen
Tipp
Tipps für Migränepatienten
1. Führen Sie ein Migränetagebuch – ob digital mit der Migräne-App oder klassisch auf Papier. Notieren Sie Dauer, mögliche Auslöser, eingenommene Medikamente sowie Ernährung und Trinkverhalten vor dem Anfall.
2. Achten Sie auf persönliche Migräneauslöser. Ob bestimmte Lebensmittel, Lichtreize oder Stress – erkennen Sie Ihre Trigger und meiden Sie diese konsequent.
3. Halten Sie Ihren Schlafrhythmus wenn möglich stabil – auch am Wochenende.
4.Bewegen Sie sich regelmäßig. Aktivitäten wie Spazierengehen, Wandern, Schwimmen, Radfahren oder Tanzen fördern die Entspannung.
5.Essen Sie regelmäßig. Ein Abfall des Blutzuckerspiegels kann eine Migräneattacke auslösen.
6.Strukturieren Sie Ihren Tag. Vermeiden Sie Überforderung. Ein gut geplanter Tagesablauf mit realistischen Zielen schützt vor Stress.
7. Sagen Sie auch mal „Nein“. Grenzen zu setzen, reduziert inneren Druck.
8. Bauen Sie gezielt Entspannung in Ihren Alltag ein. Methoden wie Muskelentspannungsübungen, Atemübungen oder Meditation helfen, Stress abzubauen und die Anfallshäufigkeit zu senken.
Menstruelle MigräneEtwa sieben bis 14 Prozent aller Migränepatientinnen leiden an einer reinen sogenannten menstruellen Migräne, bedingt durch den Abfall des Hormons Östrogen. Ihre Attacken treten in den meisten Fällen kurz – etwa zwei Tage – vor der Regelblutung oder seltener während der Menstruation auf. |
Alltag mit Einschränkungen
Ein Migräneanfall kann den Alltag stark beeinträchtigen. Die Schmerzen und Begleitsymptome schränken sowohl die körperliche als auch die geistige Leistungsfähigkeit deutlich ein. Betroffene müssen sich zur Linderung ihrer Schmerzen zurückziehen. Sie sind dadurch kaum oder gar nicht arbeitsfähig. Berufliche und private Termine müssen abgesagt werden. Bei menstrueller Migräne ist das Auftreten zumindest zeitlich vorhersehbar. In vielen Fällen treten Migräneanfälle jedoch nicht regelmäßig auf, was eine langfristige Planung von Arbeit und Freizeit erschwert.
Zusätzlich zur Angst vor der nächsten Migräneattacke entsteht deshalb oft auch Sorge um deren Auswirkungen auf die Familie, den Freundeskreis sowie auf den Beruf. Das verursacht wiederum Stress, den Betroffene möglichst vermeiden sollten. Zur besseren Bewältigung kann eine psychologische Behandlung hilfreich sein. Eine kognitive Verhaltenstherapie hilft dabei, belastende Gedankenmuster zu erkennen und diese zu verändern.
Auch Entspannungsverfahren wie progressive Muskelentspannung ermöglichen es, innere Ruhe gezielt zu fördern. Körperliche Aktivität kann helfen, Stress abzubauen. Welche Methode am besten wirkt, ist individuell verschieden – wichtig ist, den eigenen Weg zur Entlastung zu finden.
Ausführliche Informationen zum Thema Psychotherapie erhalten Sie hier: www.vividabkk.de/psychotherapie