Erde gut, alles gut!
Der Klimawandel wirkt sich immer stärker auf unsere Gesundheit aus. Dabei sollte uns klimabewusstes Handeln eigentlich gar nicht schwerfallen, denn: Was gut ist für die Erde ist meist auch gut für unsere Gesundheit.
Buchstäblich sitzt Walter Leal im Glashaus. Eine riesige Fensterfront ziert sein Büro an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW) in Hamburg. „Im Sommer fühlt es sich hier schnell an wie in einer Sauna“, sagt der 56-Jährige und öffnet ein Fenster.
Leal ist Leiter des Forschungs- und Transferzentrums „Nachhaltigkeit und Klimafolgenmanagement“ der HAW Hamburg und darüber hinaus einer der Leitautoren des jährlich erscheinenden Weltklimaberichts. „Wir leben mitten in einem menschengemachten Klimawandel“, erklärt Leal. „Das ist nicht nur in der wissenschaftlichen Welt als Tatsache anerkannt, sondern mittlerweile auch in unserer Gesellschaft.“
Das Klima auf der Erde wandle sich zwar seit jeher. Meist gehe das allerdings eher langsam vonstatten – teilweise über zehntausende von Jahren. „Das ist bis zur Industrialisierung so gewesen. Noch bis in die 1920er hinein haben wir uns in einem recht stabilen Klimaumfeld befunden.
Vor allem seit den 1970ern ändert sich das Klima dafür umso schneller.“ Schuld daran sind vor allem die CO2-Emissionen, die im vergangenen Jahrhundert rasant gestiegen sind – und immer noch weiter steigen.
Das Problem: Bis zur Industrialisierung wurde die Wärmestrahlung der Sonne zu einem größeren Teil von der Erde zurück in den Weltraum reflektiert. Das CO2 in der Luft wirkt nun allerdings wie die Fensterfront in Leals Büro: Die Sonnenstrahlen fallen herein und reflektieren immer wieder vom Glas zurück ins Büro, das sich dadurch stetig aufwärmt. Das Büro lässt sich lüften, unsere Welt nicht.
Es darf nicht zu heiß werden
Das Problem ist seit Jahrzehnten bekannt. Fahrt aufgenommen hat das Thema allerdings erst im vergangenen Jahrzehnt: Ein Großteil der Nationen hat 2015 im Pariser Übereinkommen vertraglich festgelegt: Der Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur darf zwei Grad Celsius gegenüber der vorindustriellen Zeit nicht überschreiten. Als Zielwert gilt: 1,5 Grad Celsius.
„Global betrachtet sind wir zwar noch ganz knapp unterhalb dieser Grenze, aber vielerorts ist diese Marke bereits überschritten“, sagt Leal. „Einige Regionen – fast ausschließlich in ärmeren Ländern – sind wegen des Klimawandels deshalb heute schon nicht mehr bewohnbar. Das bekommen wir in den klimatisch gemäßigten, wohlhabenden Ländern oft nicht mit. Überschreiten wir global die Zwei-Grad-Grenze, wird das allerdings auch gewaltige Auswirkungen auf unser Leben und unsere Gesundheit hierzulande haben.
Das reicht von einer stark eingeschränkten Lebensmittel- und Wasserversorgung über buchstäblich unerträgliche Hitzetage bis hin zu noch mehr extremen Unwettern. Wir müssen deshalb jetzt zwei Strategien gleichzeitig verfolgen: Zum einen müssen wir so schnell wie möglich die klimaschädlichen Emissionen minimieren. Zum anderen müssen wir uns an die neuen klimatischen Gegebenheiten anpassen – vor allem hinsichtlich unseres gesundheitlichen Alltags.“
Unser Gesundheitsalltag ändert sich
Dass der Klimawandel schon heute Auswirkungen auf unsere Gesundheit hat, erklärt Stefanie Bühn. Sie ist Gesundheitswissenschaftlerin und arbeitet für die Deutsche Allianz Klimawandel und Gesundheit e. V., kurz KLUG. Der gemeinnützige Verein will auf die Folgen der globalen Erwärmung für die Gesundheit aufmerksam machen und mit seiner Arbeit den Weg in eine klimaneutrale Gesellschaft ebnen.
„Die Hitzewellen im Sommer sind heute länger und extremer als noch vor zwanzig, dreißig Jahren. Darunter leiden vor allem jene, die in unserer Gesellschaft besonders schutzbedürftig sind: So steigt etwa für Schwangere die Gefahr einer Frühgeburt“, sagt Bühn. „Chronisch Kranke und alte Menschen kann die Hitze besonders beeinträchtigen.
Hinzu kommt, dass viele Medikamente bei heißen Temperaturen anders wirken. Gefährdet sind auch Säuglinge, weil ihre Schweißproduktion geringer ist als bei Erwachsenen und ihre Hautoberfläche im Verhältnis zum Körpergewicht größer, wodurch sich ihr Körper noch schneller aufheizt.“
Hitze ist nicht das einzige Problem
Die Zahl der Extremwetterereignisse wird in Zukunft weiter zunehmen. Das hat auch starke Auswirkungen auf die Psyche der Betroffenen. Walter Leal kennt das Problem aus eigener Erfahrung: „Im vergangenen Herbst ist nach einem Unwetter mein Keller vollgelaufen. So etwas kannten die Menschen in der Region, in der ich lebe, früher nicht. Bei mir hielt sich der Schaden in Grenzen, woanders kann so ein Ereignis existenzbedrohend sein – was wiederum stark auf die Psyche schlägt.“
Psychisch belastet durch den Klimawandel sind auch immer mehr junge Menschen. Bei ihnen macht sich ob der schnellen Klimaveränderung immer stärker eine Zukunftsangst breit.
Alte Plagen, neuen Krankheiten
Eine Folge des Klimawandels, die heute schon sehr viele Menschen trifft: Durch den Klimawandel blühen Pflanzen früher und länger, zum Leid der Millionen Pollenallergiker in Deutschland. „Weil sich hier durch die höheren Temperaturen auch andere Pflanzen breitmachen, kommen weitere Allergene hinzu. Die Zahl der Allergiker wird also weiter steigen“, erklärt Bühn.
Breit machen sich auch Zecken und Mücken, die wiederum Infektionskrankheiten übertragen. So gibt es seit 2019 in Deutschland immer wieder Einzelfälle des vor allem in den Tropen verbreiteten West-Nil-Fiebers, die nicht auf Reisen zurückgeführt werden können. Solche sogenannten Zoonosen werden uns aber auch aus einem anderen Grund in Zukunft immer öfter beschäftigen: „Von Tier auf Mensch übertragene Krankheiten werden sich auch deshalb häufen, weil der Mensch immer tiefer in den Lebensraum der Tiere eindringt.“
Auch das Gesundheitswesen muss sich ändern
Der Gesundheitssektor in Deutschland arbeitet heute schon daran, dass wir auch in Zukunft – den Folgen des Klimawandels zum Trotz – gesund durchs Leben kommen.
Allerdings muss auch hier einiges geschehen: So ist das Gesundheitswesen hierzulande selbst für 5,2 Prozent der Treibhausgasemissionen verantwortlich. Das ist mehr, als der Flugverkehr verursacht.
Als erstes Ziel hat der Deutsche Ärztetag deshalb bis 2030 Klimaneutralität für das Gesundheitswesen ausgerufen. Sowohl KLUG als auch das von Leal initiierte Projekt Klima- GESUND setzen sich zudem dafür ein, dass das Thema Klima auf den Ausbildungsplänen im Gesundheitswesen noch stärker vertreten ist.„Als Multiplikatoren können Menschen im Gesundheitswesen bei Patientinnen und Patienten das Bewusstsein stärken, dass jeder Einzelne mit einem gesunden Lebensstil zum Klimaschutz beitragen kann“, sagt Bühn. „Tatsächlich ist es nämlich so: Was gut ist für die Gesundheit des Menschen, ist meist auch gut für die Umwelt.“ Wer sich öfter aufs Rad setzt oder zu Fuß geht, tut etwas für seine Fitness und vermeidet CO2-Emissionen.
Pflanzenbasierte Lebensmittel sind gut fürs Herz und fürs Klima. Das gemeinschaftliche Engagement für den Klimaschutz und die Umwelt hat zudem einen positiven Effekt auf das subjektive Wohlbefinden.
„Wir können das schaffen“
Hoffnung macht, dass das Thema Klima und Umweltschutz – trotz zahlreicher weiterer Krisen auf der Welt – auf dem Tisch bleibt. „Sowohl in der Politik als auch in der Gesellschaft: Es verändert sich etwas! Das macht mich hoffnungsvoll“, sagt Bühn.
Leal sieht es ähnlich: „Wir müssen unbedingt an dem Thema dranbleiben und noch schneller und radikaler unser Verhalten verändern. Aber: Wir können das schaffen. Gerade die junge Generation zeigt uns: Der Wille zur Veränderung ist größer denn je. Das ist – im wahrsten Sinne des Wortes – eine sehr gesunde Einstellung zu dem Thema.“
"Klimabewusste Ernährung kann sehr viel Spaß machen"
Was hat unsere Ernährung mit dem Klimawandel zu tun?
In Deutschland hängen rund 20 Prozent der Treibhausgasemissionen mit dem Ernährungssektor zusammen. Die Emissionen entstehen dabei in der gesamten Verarbeitungskette – also vom gedüngten Boden bis hin zur Verarbeitung in der Küche. Fast die Hälfte der Emissionen geht dabei auf die Erzeugung tierischer Produkte zurück. Bei pflanzlichen Produkten sind es hingegen nicht mal zehn Prozent.
Mit Blick auf die Klimabilanz: Wie gut ernährt sich der Deutsche?
Wir nehmen viele Milchprodukte zu uns und im Vergleich zu anderen Ländern essen wir auch verhältnismäßig viel Fleisch. Beides zusammen macht unsere Ernährung eher klimaunfreundlich. Nehmen wir etwa ein einfaches Gericht mit einem Stück Rindfleisch und Sahnesoße: Pro Portion kann so ein Essen bereits mehr als zwei Kilogramm CO2 verursachen. Bei einem genauso sättigenden pflanzlichen Gericht sind es meist nur 500 Gramm CO2 pro Portion.
Klimabewusste Ernährung heißt also: nie mehr Käse, Fleisch und Fisch?
Grundsätzlich darf alles auf den Teller. Niemand muss von heute auf morgen seine komplette Ernährung umstellen. Ein erster Schritt kann sein, die Mengen zu reduzieren: Vielleicht reicht mir ein kleineres Stück Käse zum Abendessen und vielleicht muss es auch nicht jeden Tag ein Stück Fleisch sein.
Welche Lebensmittel sind besonders klimafreundlich?
Hülsenfrüchte und Gemüse haben eine sehr gute Klimabilanz. Weiterhin gilt: möglichst Bio, regional, saisonal und frisch – das sind Schlagworte, die oft auf Klimafreundlichkeit schließen lassen. Tiefkühlpommes erzeugen etwa viermal mehr Emissionen als Pommes, die ich aus frischen Bio-Kartoffeln selbst mache. Die schmecken meistens auch besser.
Apropos Geschmack, klimabewusster Ernährung hängt das Klischee an: Das kann doch gar nicht schmecken! Ist da was dran?
Ganz und gar nicht. Jeder kennt eine richtig gute, kräftige Linsensuppe. Oder eine fruchtige Soße aus frischen Tomaten. Wer es exotischer mag, isst Falafel oder ein indisches Dal aus roten Linsen.
Die Auswahl ist riesig. Hinzu kommt: Auch das Angebot an pflanzlichen Alternativen für tierische Produkte wächst täglich. Vom Haferdrink für den Cappuccino über pflanzlichen Frischkäse bis hin zum fleischfreien Würstchen. Es kann viel Spaß machen, sich einfach mal durchzuprobieren.
Muss sich auch in der professionellen Gastronomie beim Thema klimabewusste Ernährung etwas ändern?
Hier kann tatsächlich noch einiges passieren. Deshalb haben wir beim gemeinnützigen Verein NAHhaft gemeinsam mit mehreren Partnern die KlimaTeller-App entwickelt. Das ist ein CO2-Rechner, mit dem sich die Klimabilanz eines Gerichts ermitteln lässt. Die Nutzerinnen und Nutzer sehen in der App, welchen Einfluß die einzelnen Bestandteile eines Gerichts auf die CO2-Bilanz haben. Ob Privatperson oder professionelle Gastronomie: Jeder kann die App 30 Tage lang kostenlos nutzen und selbst ausprobieren, was man in einem Rezept – bei gleichbleibendem Genuss – schnell und einfach ändern kann.