Harmonie im Kopf
Die Rolle, die das mentale Wohlbefinden für unsere Gesundheit spielt, wurde in unserer Gesellschaft lange unterschätzt. Heute wissen wir: Sich um den Geist zu kümmern, ist genauso wichtig, wie den Körper fit zu halten.
Die Redewendung „Mens sana in corpore sano“ – also: ein gesunder Geist in einem gesunden Körper – wird oft falsch ausgelegt. Das Zitat stammt vom römischen Dichter Juvenal und besagt eben nicht, dass körperliche Fitness ausreiche, um auch den Geist gesund zu halten. Vielmehr beschwerte sich Juvenal darüber, dass die Menschen allerlei törichte Bitten an die Götter richteten, wobei eigentlich nur eine Fürbitte sinnvoll sei: die nach einem gesunden Geist in einem gesunden Körper. Juvenal stellte also beides auf eine Stufe. Dennoch blieb auch lange nach seiner Zeit die körperliche Gesundheit bei der Beurteilung des menschlichen Wohlbefindens im Fokus.
Die Erkenntnis, dass auch das mentale Wohlbefinden für unsere Gesundheit mitentscheidend ist, hat sich erst in den vergangenen Jahrzehnten durchgesetzt. Heute geht die Weltgesundheitsorganisation (WHO) sogar einen wichtigen Schritt weiter als Juvenal: Sie sagt, dass Gesundheit neben dem körperlichen und mentalen Wohlbefinden auch unser soziales Wohlbefinden einschließt, also: wie wohl wir uns in unserem Umfeld fühlen.
Ein Thema aus der Mitte
Der Themenkomplex mentales Wohlbefinden ist mittlerweile in der Mitte der Gesellschaft angelangt. Medien berichten stärker darüber, das psychologische und psychotherapeutische Angebot hat deutlich zugenommen, Prominente sprechen offen über ihre Erfahrungen, etwa mit Depressionen und Ängsten. „Die Veränderungen in der Gesellschaft beim Thema mentale Gesundheit sind wichtig und richtig – zumal uns mit Themen wie Corona, Krieg und Klimawandel immer wieder neue Stressfaktoren herausfordern. Es ist aber auch wichtig, dass wir heute nicht nur darauf schauen, was uns mental krank macht, sondern auch, was uns gesund hält“, sagt Andrea Bahnsen, Diplom-Psychologin bei der vivida bkk.
„Es gilt also, nicht nur auf die Schwächen zu schauen, sondern vor allem auf unsere individuellen Ressourcen: Was brauchen wir, um uns wohl und gesund zu fühlen?“ Beim Körperlichen ist es für uns mittlerweile ganz natürlich, darüber zu reden, das Immunsystem zu stärken – etwa mit gesundem Essen und ausreichend Bewegung. Wenn wir uns darauf einlassen, lässt sich aber auch das „Immunsystem der Psyche“ stärken. Wie beim Körper gilt dabei auch beim Geist: Für nachhaltiges Wohlbefinden muss man dranbleiben.
Denn mentale Gesundheit ist kein statisches Ziel, das man einmal erreicht, und dann geht es einem immer gut. Es ist eher vergleichbar mit einer Waage, die man versucht im Gleichgewicht zu halten. Im Alltag schwingt sie bei uns allen mal in die eine, mal in die andere Richtung – also mal ins Positive, mal ins Negative.
Die Waage im Gleichgewicht
Wann wir uns wohlfühlen, sieht bei jedem Menschen anders aus – und dementsprechend gibt es auch kein Universalrezept, um das mentale Gleichgewicht zu halten. Fest steht, dass präventiv regelmäßige Bewegung, Zeit zum Entspannen und Abschalten sowie ein gesundes soziales Miteinander eine entscheidende Rolle spielen.
Die Details? Die muss jeder für sich herausfinden. „Das ist aber auch das Spannende bei dem Thema: die Suche nach dem, was mir guttut“, sagt Bahnsen. „Dem einen hilft das gemeinsame Auspowern beim Fußball, um den stressigen Tag im Büro zu verarbeiten. Der andere braucht einen ruhigen Waldspaziergang mit dem Partner. Hier darf jeder mutig herumprobieren.“
77
Prozent
der 14- bis 34-Jährigen mit gesundheitlichen Problemen leiden unter Stress. Das ist ein Ergebnis der Studie „Zukunft Gesundheit 2023“ der vivida bkk und ihrer Stiftung „Die Gesundarbeiter – Zukunftsverantwortung Gesundheit“.
Was uns ebenfalls langfristig hilft, ist, öfter mal kleine Pausen einzulegen – die bringen uns weiter als wenige lange Pausen. „Pause heißt übrigens nicht: zehn Minuten lang durch Instagram scrollen, sondern auch mal bewusst das Handy weglegen“, sagt Bahnsen. „Auch regelmäßige kleine Atem- und Muskelentspannungsübungen helfen, uns mental gesund zu halten.“
Ratgeber zum Thema mentales Wohlbefinden gibt es heute sehr viele. Sie propagieren beispielsweise Yoga, Achtsamkeitsübungen oder Meditation als Allheilmittel. „Natürlich gibt es Menschen, für die genau das passt, aber mit Ratschlägen kann man vielleicht auch danebenliegen. Wer keine Lust auf Yoga hat, dem wird es langfristig wahrscheinlich auch nicht besonders viel helfen“, sagt Bahnsen. „Für den nachhaltigen Nutzen ist vor allem wichtig: Es sollte mir Freude bereiten.“
Übung: bewusst ausatmen
Relaxt atmen hilft, Stress abzubauen und Energie zu tanken. Das Beste: Schon eine Minute relaxten Atmens zwischendurch reicht als kleine Kopfpause.
1. Bequeme Position finden: Setzen oder legen Sie sich bequem hin. Schließen Sie, wenn gewünscht, die Augen.
2. Langsam ein- und ausatmen: Atmen Sie bewusst durch die Nase ein (4 Sekunden). Atmen Sie durch den Mund wieder aus (6 Sekunden).
3. Wiederholen: Konzentrieren Sie ich auf die Ausatmung. Wiederholen Sie die Übung für 5 bis 15 Minuten.
Erste Hilfe für mentale Gesundheit
Ursprünglich in Australien entwickelt gibt es die Kurse für Ersthelfende für psychische Gesundheit seit 2020 auch in Deutschland. Ähnlich wie im klassischen Erste-Hilfe-Kurs lernen die Teilnehmenden, wie sie psychische Gesundheitsprobleme und Krisen bei nahestehenden Personen erkennen und diese in einem ersten Schritt unterstützen können.
Immer mehr Unternehmen lassen Mitarbeitende im „Mental Health First Aid“-Programm zu MHFA-Ersthelfenden ausbilden. Auch bei der vivida bkk haben wir Kolleginnen und Kollegen geschult. Mehr Informationen unter: www.mhfa-ersthelfer.de
Widerstandskraft stärken
Wenn es um mentale Gesundheit geht, fällt ein Stichwort in den vergangenen Jahren immer öfter: Resilienz. Es bezeichnet die Fähigkeit, Krisen und schwierige Lebenssituationen zu bewältigen und gestärkt aus ihnen hervorzugehen. Menschen mit hoher Resilienz sind optimistischer und stärker davon überzeugt, Herausforderungen lösen zu können. Zudem akzeptieren sie sich mit all ihren Stärken und Schwächen.
Optimismus und positives Denken – das klingt tatsächlich zunächst nach Charaktereigenschaften, aber tatsächlich kann jeder Mensch seine Resilienz stärken, etwa indem er sich seiner Stärken und Fähigkeiten bewusst wird, Herausforderungen als Chancen sieht und Fehler akzeptiert und aus ihnen lernt. Ein Weg zu höherer Resilienz ist, Erfolge und positive Eigenschaften bewusster wahrzunehmen, denn oft verlieren sich die kleinen und großen stärkenden Gewinne des Lebens im hektischen Alltag. Indem wir uns beispielsweise regelmäßig Zeit nehmen, unsere Erfolge aufzuschreiben, zu reflektieren und vor allem wertzuschätzen, können wir unsere Widerstandskraft – also unser psychisches Immunsystem – nachhaltig fördern und uns besser für zukünftige Herausforderungen wappnen. Resilienz ist ein weites Feld mit zahlreichen Facetten.
Übung: Ziele setzen
Diese kleine Übung zur Stärkung der Resilienz lässt sich leicht in den Alltag einbauen.
Setzen Sie sich morgens für den Tag ein erreichbares Ziel – und notieren Sie es. Das darf ruhig etwas Kleines sein wie „Gehe zehn Minuten spazieren“ oder „Schreibe eine kurze Nachricht an jemanden, den du lange nicht gehört hast“. Das Abhaken des erreichten Ziels am Abend schenkt Ihnen ein Gefühl der Erfüllung und kräftigt Ihre mentale Stärke. Auch das Erreichen kleiner Ziele stärkt das Selbstvertrauen nachhaltig.
Übung: in Zeitlupe
Viele unserer Tätigkeiten geschehen heute automatisiert. Was in unserem Körper tatsächlich passiert, nehmen wir dabei nicht wahr. Dabei lohnt es sich, auch im Alltag zu beobachten, wie unser Körper und unser Geist zusammenspielen. Das funktioniert besonders gut in Zeitlupe.
1. Wählen Sie eine Tätigkeit, die Sie in Zeitlupe unternehmen wollen. Es kann jede alltägliche Aufgabe sein. Beispielsweise: Im Büro den Hefter aus der Schublade holen und Papier heften oder zu Hause ein Hemd sorgfältig zusammenlegen.
2. Gehen Sie in eine neutrale Grundposition, etwa gerade am Schreibtisch sitzend oder bequem stehend.
3. Führen Sie nun die gewählte Tätigkeit so langsam wie möglich durch. Achten Sie dabei darauf, was mit ihrem Körper geschieht. („Meine Hände erheben sich langsam von der Tischplatte. Mein Kopf dreht sich, ich blicke bewusst auf die Schublade, in der der Hefter liegt. Beide Füße drehen meinen Drehstuhl nach links.“ Beobachten Sie dabei auch, welche Muskeln sich an- und wieder entspannen. Und so weiter.)
4. Nachdem Sie die komplette Tätigkeit in Zeitlupe durchgeführt haben, enden Sie in der Ausgangsposition.
Sie werden zwei Dinge spüren: erstens, dass auch bei banalen Tätigkeiten fast alle Körperregionen eingespannt sind, und zweitens, dass Sie in der Übung jederzeit die Kontrolle darüber haben, was mit Ihnen geschieht.
Begleitung ab den jungen Jahren
Außer bewusster Selbstfürsorge und der Stärkung unserer Resilienz spielt in unserer Gesellschaft die Prävention eine immer wichtigere Rolle für die mentale Gesundheit. Hierbei geht es darum, bereits im Vorfeld Risikofaktoren zu minimieren. Ein gesunder Lebensstil mit ausgewogener Ernährung und ausreichend Schlaf, aber auch ein funktionierendes Stressmanagement und die Pflege des sozialen Netzwerks sind hier entscheidend. Auch die Gesundheitsförderung spielt hierbei einen wichtigen Part, sei es bei frühen Hilfen und Kinderförderung, dem Betrieblichen Gesundheitsmanagement oder der ganzheitlichen Gesundheitsförderung in weiteren Lebenswelten wie der Hochschule oder sozialen Einrichtungen.
„Gerade weil das Thema so individuell ist, wäre es gut, wenn wir in der Gesellschaft noch mehr niederschwellige Angebote hätten, die uns helfen, unsere Bedürfnisse beim Thema mentales Wohlbefinden besser zu erkennen“, sagt Bahnsen. „Im Grunde müsste man schon die Kleinsten im Kindergarten bei dieser Aufgabe begleiten.
Spätestens in der Schule sollte das Thema Selbstfürsorge und Resilienz auf dem Programm stehen – beispielsweise in einem Schulfach Gesundheit, für das sich die vivida bkk seit Jahren einsetzt. Je früher wir solche Themen ansprechen, desto besser.“ Tatsächlich begleitet uns das Thema von der frühen Kindheit bis ins hohe Alter. Deshalb unterstützt die vivida bkk ihre Kundinnen und Kunden in allen Lebenslagen mit Angeboten, um die mentale Gesundheit zu fördern.
Beispielsweise mit zahlreichen Gesundheitskursen vor Ort oder online, die sich über die Gesundheitsdatenbank buchen lassen. Die vivida bkk garantiert dabei eine Kostenbeteiligung für zwei Kurse pro Kalenderjahr in Höhe von mindestens 80 Prozent der Kurskosten, maximal 150 Euro pro Kurs (wenn man an 80 Prozent der Termine teilgenommen hat). Bei den Kooperationspartnern für Online-Gesundheitskurse werden sogar alle Kosten übernommen.
Mehr Informationen zur Gesundheitsdatenbank finden Sie hier.
In drei Schritten zu weniger Stress
Auch wer langfristig gut aufgestellt ist, kommt im Leben in Situationen, in denen die mentale Waage ins Negative ausschlägt. Dann heißt es: Stressbewältigung.
1. Soweit es möglich ist: die Stressauslöser minimieren. Viele unterschätzen dabei, was wirklich realisierbar ist. Deshalb ist eine Einschätzung von außen – etwa von Kolleginnen oder Partnern – oft hilfreich.
2. Stresshormone abbauen. Das gelingt beispielsweise durch körperliche Bewegung, Entspannung, Atemübungen, autogenes Training oder Meditation.
3. Bewertung: Um nicht erneut in die herausfordernde Situation zu rutschen, ist eine Aufarbeitung wichtig: War das ein einmaliger Schwenk auf der Waage oder muss ich vielleicht grundsätzlich etwas in meinem Leben ändern? Welche Ressourcen habe ich eigentlich, um mit solchen Situationen besser klarzukommen? Muss ich etwa ein klärendes Gespräch suchen?
Ungleichgewicht erkennen
Und wenn die Waage doch mal etwas stärker ins Negative ausschlägt, dann äußert sich das oft in körperlichen Symptomen wie Abgeschlagenheit, Unruhe, Energielosigkeit, Gereiztheit, mangelnder Konzentration und Schlafmangel. „So etwas zu spüren, ist erstmal nicht besonders kritisch. Wir dürfen auch mal gestresst sein und uns niedergeschlagen fühlen“, erklärt Bahnsen. „Wenn man jedoch spürt, dass die Dysbalance zu groß wird, länger als zwei Wochen andauert und mit eigenen Mitteln nicht mehr beseitigt werden kann, ist der Gang zum Hausarzt oder zur Psychologin üblicherweise der richtige Schritt.“ Denn möglicherweise handelt es sich um behandlungsbedürftige Fälle wie depressive Verstimmungen, Depressionen oder Angststörungen (lesen Sie mehr darüber in diesem Beitrag).
Auch ein Anruf beim Stresstelefon der vivida bkk ist in solchen Fällen ein gangbarer Weg. Andrea Bahnsen kümmert sich seit 2021 um die Anrufenden und bietet schnelle und unbürokratische Unterstützung, beispielsweise mit Tipps zu passenden Beratungsstellen.
Mit KOMPASS bietet die vivida bkk zudem einen niederschwelligen Zugang zur psychotherapeutischen Versorgung und zu psychologischer Beratung. Ein erfahrenes Netzwerk aus Psychotherapeuten, Psychologen und Fachärzten bietet Menschen mit psychischen Erkrankungen individuell die bestmögliche Therapie. „Mit diesen Angeboten bieten wir unseren Kundinnen und Kunden hilfreiche ganzheitliche Unterstützung – für einen gesunden Geist in einem gesunden Körper.“
Wohlbefinden per Knopfdruck
Die vivida bkk bietet ihren Kundinnen und Kunden digitale Lösungen, die sie auf dem Weg zu mentalem Wohlbefinden begleiten.
Balloon
Achtsamkeit als Alltagsthema: Die Balloon-App bietet den Nutzenden entspannende Meditationen, inspirierende Gedanken und praktische Impulse zum Thema mentales Wohlbefinden. Die abrufbaren Audio-Einheiten sind kurzweilig und beleuchten verschiedene Lebensthemen, womit jeder Nutzende individuell angesprochen wird.
Aumio
Aumio ist eine Meditations- und Achtsamkeits-App, die die mentale Gesundheit von Kindern im Fokus hat. In einfachen Übungen und spannenden Kursen entdecken Kinder spielerisch ihre Gefühle, werden beim Einschlafen begleitet und lernen den Umgang mit emotionalen Herausforderungen.