1. Magazin
  2. Familie & Freunde
  3. Sprache ist der Schlüssel
Sprachentwicklungsstörungen, Sprechstörungen bei Kindern, Sprachförderung, frühkindliche Sprachförderung, Entwicklung mit Sprache, Sprachentwicklung, Sprachkompetenz

"Sprache ist der Schlüssel"

Sprechstörungen

Aus Kindergärten und Grundschulen kommen teils alarmierende Meldungen zu Sprachentwicklungsstörungen bei Kindern. Kinder- und Jugendarzt Dr. Martin Lang wird in seiner Praxis täglich damit konfrontiert.

Dr. Martin Lang ist niedergelassener Kinder- und Jugendmediziner in Augsburg. Viele Jahre hat er die Gesundheitsversorgung für Kinder und Jugendliche in Bayern und Deutschland mitgestaltet. So war er unter anderem Landesvorsitzender der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) in Bayern (2010 – 2020) und Bundesvorstand der Kinder- und Jugendärzte Deutschlands (BVKJ). Er ist mit dem bayerischen Gesundheitspreis 2014 und 2015 ausgezeichnet worden. Im Interview stellt er sich unseren Fragen rund um die Sprache von Kindern.

Warum ist frühkindliche Sprachförderung für die weitere Entwicklung von Kindern so wichtig?
Sprache hat eine zentrale Bedeutung für alle Entwicklungsbereiche – von der Schulbildung bis zur Integration in die Gesellschaft. Unsere Entwicklung ist ohne Sprache eigentlich gar nicht möglich.

Wie wird eine Sprachentwicklungsstörung eigentlich genau definiert?
In der Diagnostik zur Sprachentwicklung gibt es die sogenannten Meilensteine. Am Ende des ersten Lebensjahres sollte ein Kind lautieren können – umgangssprachlich gesagt „brabbeln“. Ab dem ersten Geburtstag sollte es einzelne Worte und am Ende des zweiten Lebensjahres 50 Worte und erste Zwei-Wort-Sätze sagen können. Bei Jungen können wir noch ein wenig abwarten. Sie sind oft später dran.

 

Viele Artikulationsschwierigkeiten lassen sich gut in den Griff bekommen, wenn man frühzeitig reagiert.

Werden diese Meilensteine nicht erreicht, sprechen wir von einer Störung der Sprachentwicklung. Dabei müssen wir Kinderärzte berücksichtigen, ob die Mädchen und Jungen ausreichenden Kontakt mit der deutschen Sprache hatten. Denn es gibt einen Unterschied zwischen einer Sprachentwicklungsstörung und einem Spracherwerbsdefizit. Kinder mit Migrationshintergrund können oft gar kein Deutsch, weil zu Hause eine andere Sprache gesprochen wird. Daher verwenden wir bei den Zweijährigen Sprachbögen in mehr als 70 verschiedenen Landessprachen.

50 einzelne Worte sollte ein Kind am Ende des zweiten Lebensjahres sprechen können.

 

Um zu erkennen, ob ein fremdsprachiges Kind echte Probleme mit der Sprachentwicklung hat, lassen wir es beispielsweise Fantasiewörter nachsprechen, die es in keiner Sprache gibt. Das hilft, sehr frühzeitig zu erkennen, ob ein Kleinkind logopädisch therapiert werden sollte oder ob es einfach im Alltag mehr Kontakt mit unserer deutschen Sprache benötigt (sogenanntes Spracherwerbsdefizit).

Warum entwickeln Kinder überhaupt eine Störung ihrer Sprachentwicklung?
Das kann ganz unterschiedliche Gründe haben. Zunächst einmal müssen wir untersuchen, ob es allgemeine, überlagernde Störungen gibt. Ist ein Kind beispielsweise autistisch, kam mit dem Down-Syndrom (Trisomie 21) auf die Welt oder leidet unter ADHS, tut es sich natürlich mit der Sprache schwerer als seine Altersgenossen. Auch eine Lippen-Kiefer-Gaumenspalte behindert beispielsweise die Sprachentwicklung.

In den Vorsorgeuntersuchungen prüfen wir zudem das Gehör. Wer wenig oder gar nicht hört, lernt nicht, zu sprechen. Wir müssen das Kind immer als Ganzes sehen. Kinder und Jugendärzte kann man ganz gut mit Fischern vergleichen. Übertragen gesprochen legen wir in den Vorsorgeuntersuchungen ein Netz von Sprachtests über unsere kleinen Patienten, damit uns kein Sprachentwicklungsdefizit durch die Maschen schlüpft.

Spielt Medienkonsum eine Rolle bei der Sprachentwicklung?
Allerdings. Schon kleine Kinder verbringen immer mehr Zeit vorm Bildschirm. Sei es vor dem Fernseher, dem Computer oder dem Handy. Sprachanregung über den Bildschirm findet aber nicht statt. Ich kann einen Ball nur als Ball benennen, wenn ich ihn mal in der Hand hatte und mit allen Sinnen erfasst habe. Die Kindersprache wird durch die persönliche Zuwendung und Beschäftigung mit dem Kind gefördert – Bildschirme bewirken das glatte Gegenteil.

Und wie sieht es mit Migration aus?
Tatsächlich gibt es Kinder, die hier leben, aber in ihrem häuslichen Umfeld keinerlei Kontakt mit der deutschen Sprache haben. Und es ist gut für die Sprachentwicklung, wenn Migrantenkinder in den ersten Jahren ihre Muttersprache sprechen.
In den Kindertagesstätten, in Vorschulkursen und in den Grundschulen kann über eine intensive Tagesbetreuung die deutsche Landessprache aufgebaut werden. Das ist in der Corona-Pandemie leider in großen Teilen weggebrochen. Homeschooling war hierfür nicht gerade zuträglich. Ich bin aber guter Dinge, dass wir in den pädagogischen Institutionen den Spracherwerb aufh olen können, sobald alles wieder normal läuft.

Gibt es heutzutage mehr Kinder mit Sprachentwicklungsstörungen?
Ja. In meiner Praxis musste ich vor ein paar Jahren etwa fünf bis zehn Prozent meiner Patienten zur Therapie schicken. Inzwischen überweise ich an die 20 Prozent in die Logopädie-Praxen. Viele Artikulationsschwierigkeiten lassen sich jedoch gut in den Griff bekommen, wenn man zuhause von Anfang an viel mit den Kindern spricht.

Was können Eltern tun, um die Sprachentwicklung ihrer Kinder zu fördern?
Eltern müssen zuhause nicht Schule spielen. Das Zauberwort heißt Zuwendung. Sprechen Sie mit Ihrem Kind. Binden Sie es in kleine Hausarbeiten ein und beschreiben Sie dabei, was Sie gerade tun. Paula, hol doch mal den Teller, etwa. Das Mädchen erfährt dabei Aufmerksamkeit und Wertschätzung. 

Und machen Sie es Ihrem Kind nicht zu einfach. Wenn es bei Tisch aufs Apfelmus zeigt, geben Sie es ihm nicht einfach. Lassen Sie ihren Nachwuchs die Dinge benennen. Das tägliche Vorlesen ist sehr, sehr wertvoll. Der Vorteil ist: Man kann Bilderbücher sowohl in der eigenen Muttersprache als auch in der deutschen Landessprache vorlesen. Das motiviert die Kinder enorm. Für die Jüngeren bieten sich Fingerspiele an. Und für die ganz Kleinen: einfach mal Tierlaute imitieren. Merke: Zur Sprache gehört immer auch
die Emotion.

Können Artikulations-Apps sinnvoll sein?
Wenn alles andere drum herum stimmt und die Eltern sich ausreichend mit ihren Kindern beschäftigen, dann kann so eine App durchaus unterstützend sein. Ein kleiner Spaßfaktor. Allerdings erst für Kinder ab drei Jahren. Davor gilt auf jeden Fall: absolutes Bildschirmverbot.

Warum entwickeln Kinder überhaupt eine Störung ihrer Sprachentwicklung?
Das kann ganz unterschiedliche Gründe haben. Zunächst einmal müssen wir untersuchen, ob es allgemeine, überlagernde Störungen gibt. Ist ein Kind beispielsweise autistisch, kam mit dem Down-Syndrom (Trisomie 21) auf die Welt oder leidet unter ADHS, tut es sich natürlich mit der Sprache schwerer als seine Altersgenossen. Auch eine Lippen-Kiefer-Gaumenspalte behindert beispielsweise die Sprachentwicklung. In den Vorsorgeuntersuchungen prüfen wir zudem das Gehör. Wer wenig oder gar nicht hört, lernt nicht, zu sprechen. Wir müssen das Kind immer als Ganzes sehen. Kinder und Jugendärzte kann man ganz gut mit Fischern vergleichen. Übertragen gesprochen legen wir in den Vorsorgeuntersuchungen ein Netz von Sprachtests über unsere kleinen Patienten, damit uns kein Sprachentwicklungsdefizit durch die Maschen schlüpft.

Spielerisch trainieren – Logopädie-App

Mit der Neolexon-App bietet die vivida bkk ein spielerisches Eigentraining für zu Hause – ergänzend zur regulären Logopädie. Die App unterstützt Kinder, die aufgrund von phonetischen oder phonologischen Aussprachestörungen in Behandlung sind. Therapeutinnen und Therapeuten können aus fünf abwechslungsreichen Spielmodulen auswählen und die App auf die spezifische Aussprachestörung des Kindes anpassen. Das vielseitige Belohnungssystem trägt zur Motivation bei, sodass das Üben zu Hause Spaß macht.

Die Neolexon-App ist eines von vielen Angeboten des Programms „Starke Kids“, mit dem die vivida bkk gemeinsam mit dem Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte die gesunde Entwicklung von Kindern unterstützen. Mehr Informationen finden Sie hier.

Zur Startseite